Judika – 29.03.20 – Arche Dittelbrunn – Predigt – Vikarin Elise Badstieber

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater

und dem Herrn Jesus Christus. Amen.


Liebe Gemeinde,


Wir sind mittendrin – in der Passionszeit. Passion bedeutet „Leiden“. In den 40 Tagen vor Ostern denken wir an das Leben und Leiden von Jesus vor seinem Tod. Sie kennen diese Zeit auch als Fastenzeit.
Menschen verzichten auf Genussmittel, wie zum Beispiel Schokolade oder Fleisch.
Menschen verzichten auf Freizeitaktivitäten, wie zum Beispiel das Fernsehen oder soziale Medien.
Menschen verzichten auf Dinge, die sie sich nicht wegdenken können aus ihrem Leben. Und trotzdem versuchen sie es.

Haben Sie sich auch vorgenommen etwas Bestimmtes zu fasten? 40 Tage verzichten –
40 Tage spüren, dass mein Leben auch ohne Fleisch oder Schokolade Spaß macht.
40 Tage erkennen, dass ich viel mehr Zeit habe, wenn ich nicht jeden Abend vor dem Fernseher versumpfe.
40 Tage, in denen ich mich bewusst frei machen kann von kleinen und großen Abhängigkeiten in meinem Alltag.

In diesem Jahr komme ich viel ins Nachdenken. Das Coronavirus bringt alles durcheinander.


Plötzlich müssen wir verzichten unfreiwilligauf ganz viel.
Wir müssen verzichten auf vertraute Umarmungen.
Wir müssen verzichten auf gesellige Abende.
Wir müssen auf Ausflüge und Urlaube verzichten.
Manche müssen sogar auf den Abschied von Verstorbenen verzichten.

Obwohl ich verstehe, warum wir auf so vieles verzichten müssen, fällt es mir schwer.

Die Ungewissheit, wann ich meine Freunde und Familie wieder sehen kann, tut weh. Es ist eine neue Erfahrung, in meiner Freiheit eingeschränkt zu sein. Und es ist eine große Herausforderung – wohin ich auch sehe.


In den letzten Wochen hat sich so viel verändert! Weltweit stehen die Nachrichten um das Coronavirus im Mittelpunkt.
Ein Virus, klein und unsichtbar legt die Welt lahm.
Das Leben der Einzelnen wird eingeschränkt.
New York – die Stadt, die nie schläft, steht beinahe still.

Es sind kaum mehr Flugzeuge am Himmel zu sehen.
Die Wirtschaft wird heruntergefahren auf ein Minimum.
Gesundheitssysteme werden auf die Probe gestellt.

Durch ein Virus kommt die Menschheit an ihre Grenzen. Selbst die Experten verstehen das Virus noch nicht. Menschen erkranken – manche sterben – andere genesen. Die Vergänglichkeit wird uns vor Augen geführt. Unser Leben ist begrenzt.

Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ heißt es im heutigen Predigttext.
Es ist ein Vers aus dem Hebräerbrief. Der Schreiber richtet sich an die Christen des ersten Jahrhunderts. Es sind Worte, die den Christen Standhaftigkeit und Orientierung geben sollen. Alles, was auf der Erde ist. Alles, was die Menschen haben, ist vergänglich. Deshalb sollen sie sich nicht an die Welt binden.

Es ist ein Vers, der mich wieder wachrüttelt. Die Erde ist unser Lebenshaus, nicht unser Eigentum. Wir sind hier willkommen und es ist uns alles geschenkt, was wir zum Leben brauchen. Aber wir sind nur zu Gast hier.

In schweren Krisenzeiten mag das erschreckend wirken. Das erfahre ich aktuell. Ich kann nichts unternehmen gegen die Verbreitung des Coronavirus. Ich muss abwarten und zusehen – ja, das ist erschreckend.

Aber ist es nicht auch tröstend?

Als Christen haben wir keinen besseren oder schlechteren Stand in dieser Welt. Aber wir glauben daran, dass die Vergänglichkeit und der Tod nicht das Ende sind. Wir vertrauen darauf, dass es weiter geht, ganz anders, als wir es uns vorstellen können. Das ist die Hoffnung, die Trauernden Halt gibt:
„Denn diese Welt ist nicht unsere Heimat; wir erwarten unsere zukünftige Stadt erst im Himmel.“


Das bedeutet auch, dass ich meine Zeit auf der Erde gut nutzen und genießen will. Ohne Furcht will ich leben. Ohne Angst. Denn Gott hat uns gegeben den Geist der KRAFT und der LIEBE und der BESONNENHEIT.

Eine so große Krise, wie wir sie aktuell sehen, habe ich noch nie erlebt. Und natürlich nagt auch an mir die Angst.

Aber ich sehe auch, wie schnell sich die Welt vernetzt. In allen Bereichen entstehen neue Wege des Zusammenhalts:

Fernsehsender, Werbeagenturen und Promis nutzen ihre Kanäle um die Menschen zu erreichen.
Musiker machen Wohnzimmerkonzerte für ihre Fans.
Restaurantbetreiber beliefern kostenlos Krankenhäuser und unterstützen so das Pflegepersonal.
Menschen bieten und nehmen Hilfe an.
Ich sehe Mitgefühl und Solidarität.



Es entsteht ein großes WIR. Vielleicht spüren Sie auch dieses WIR, wenn zum Beispiel die Kirchglocken zu einer bestimmten Zeit läuten und zum Gebet rufen.
Oder wenn Sie anders mit Ihren Mitmenschen Kontakt aufnehmen und Gespräche führen.


Solidarität und Mitgefühl - wir sind mittendrin – in der Passionszeit. Durch die Brille des Coronavirus sehe ich die Passionszeit in einem ganz neuen Licht. Ich erlebe die Zeit des Verzichts und des Nachdenkens auf eine ganz neue Weise – intensiver als in den vergangenen Jahren.

Ich fühle mich verbunden mit Jesus, mit dessen Leben und dessen Leid.


Wir können die Krise nicht überspringen wie auch Jesus seinen schmerzvollen Weg nicht umgehen konnte. Aber OSTERN steht vor der Tür. Wir wissen, dass es ein „danach“ gibt.


Es gibt ein „danach“ für Jesu Leidensweg.
Es gibt ein „danach“ für unseren Zeit hier auf der Erde.
Und es gibt auch ein „danach“ für diese Krise – die uns aktuell so stark bewegt.


AMEN


Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. AMEN