Diakon Joachim Werb:
Ansprache beim Kanzeltausch 21.05.2023, Sonntag Exaudi, in der Christuskirche

über Joh 16, 5-15:
5 Jetzt aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand von euch fragt mich: Wo gehst du hin?
6 Doch weil ich dies zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauer.
7 Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, werde ich ihn zu euch senden.
8 Und wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht;
9 über die Sünde: dass sie nicht an mich glauben;
10 über die Gerechtigkeit: dass ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht;
11 über das Gericht: dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist.
12 Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen.
13 Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in aller Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen.
14 Er wird mich verherrlichen; denn von dem Meinen wird er’s nehmen und euch verkündigen.
15 Alles, was der Vater hat, das ist mein. Darum habe ich gesagt: Er nimmt es von dem Meinen und wird es euch verkündigen.

Meine Schwestern und Brüder,

ich weiß nicht, ob es ihnen auch schon so gegangen ist, aber vor kurzem hatte wiedermal diesen Moment, wo ich mich fragte: „was hat der jetzt eigentlich gesagt?“ Am Sonntagabend bei der Übertragung der Festrede des Karlspreises an Wolodymyr Selenskyj ging es mir so. Mag sein, dass es an der etwas holprigen Simultanübersetzung lag, mag aber auch sein, dass es einfach nur sehr viele wichtige, schöne und auch inhaltsschwere Worte waren, aber der Sinn des Ganzen doch sehr kurz zusammengefasst werden könnte: Danke Europa, danke Deutschland, wir kämpfen für uns die Ukraine und ebenso und gleichzeitig für die Freiheit und Demokratie ganz Europas.

Mit den eben gehörten Worten des Johannesevangeliums geht es – zumindest mir – genauso. Auch da schwirren die Begriffe durcheinander: Weggehen, Wiederkommen, Geist, Wahrheit, Gerechtigkeit, Gericht usw. Es drängt sich für mich die Frage auf: was hat denn nun Jesus wirklich gesagt?

Hilfreich ist da schon das Schlagwort des Sonntags der evangelischen Leseordnung, das muss ich als Katholik zugeben: Exaudi, genau hinhören, lauschen! Es gilt also die Ohren zu spitzen und auf ganz besondere Weise zuhören! Etwas anderes ist ja wohl auch kaum möglich, denn es geht ja um eine Situation, in der es nichts mehr zu sehen und nichts mehr festzuhalten gab und gibt. Jesus ist weg, Himmelfahrt, auf und davon, außer Sichtweite! Uns bleibt nur das Wort, das hinhören und die Erinnerung an das, was Jesus für diese Zeit versprochen hat.

Kurz zusammengefasst wäre das die Aussage: der Tröster kommt zu euch. Und damit euch diese himmlische Unterstützungsmaßnahme überhaupt erreichen kann, muss ich, Jesus, weggehen.

Ist das der ganze Kern der Botschaft Jesu? Er, Jesus, muss Platz machen für den Geist, für den Tröster, Beistand oder welch andere inhaltschweren Worte wir dafür wählen. Sicher, das Kommen des Geistes ist ein wichtiger Teil dieser Abschiedsrede Jesu.

Aber man sollte sich auch dem vielschichtigem Sprachgewirr der folgenden Verse stellen, um die Qualität dieses Beistands voll zu erkennen. Es geht um nichts mehr oder weniger als die Wahrheit! Oder – um noch genauer zu sein: eine unmittelbare Wahrheit direkt aus dem Himmel. Die Himmelfahrt, die Absenz Jesu, findet hier ihre Fortsetzung. „Das was er – der Geist – hören wird, das wird er reden“. Mit diesem Geist der Wahrheit können wir also unmittelbar Jesu Stimme aus dem Off, aus dem Himmel vernehmen. Und wieder heißt es dann für uns Exaudi: genau zuhören, denn es geht da auch konkret um unsere Zukunft. Wenn ihr Menschen überleben wollt, dann müsst ihr mir, eurem Herrn, zuhören. Was kommen wird (erchomena), wird dieser Geist der Wahrheit euch verkündigen.

Und dann wird es konkret: drei Dinge, müssen aufgeklärt werden, damit Zukunft möglich wird.

Es geht um Aufklärung über die Sünde des Unglaubens, es geht um die Gerechtigkeit und es geht um die das Ende der Vorherrschaft des „Fürsten dieser Welt“.

Dabei dürfen wir uns leider nicht zurücklehnen, und der verlockenden Zusage blind Vertrauen schenken: er, der Geist, wird der Welt die Augen auftun! Er wird’s schon richten! Nein, wir sind gefragt! Nur wir können handeln und aufdecken, dass eben vieles in unserer Welt nicht wahr ist, nicht stimmt und zunehmend aus dem Ruder läuft. Die Wahrheit braucht unsere Bemühung, sicherlich angetrieben und buchstäblich inspiriert durch den Heiligen Geist.

Zunächst heißt es, dem zunehmenden Unglauben und der Gottferne etwas entgegensetzen. Wir müssen mit unserem Leben und praktischen Zeugnis spürbar machen, dass ein Leben mit Gott und in Christus möglich, ja sogar glücklich ist. Der Lebenswurf „christlich glauben und leben“ ist eine echte Alternative zu rein individualisierenden Selbstverwirklichungsphilosphien oder Lebensmaximen des ultimativen Spasserlebens. Dabei macht ein Leben mit und durch Jesus durchaus auch Spass und trägt zur spirituellen Selbstverwirklichung bei. Das schließt sich nicht aus! Die Sünde, also die Trennung von der tragenden Lebenswurzel Glauben, muss aber aufgedeckt und benannt werden. Genaues Hinhören auf immer wieder neue, verführerische Lebensmaximen, Trends und Lifestiles hilft uns hier, genau zu unterscheiden und uns auch zu entscheiden.

Dann sollen, ja müssen wir aufklären, wo wir Ungerechtigkeiten entdecken und unsere Solidarität gefragt ist. Dafür gibt es viele Bespiele im Engagement für Randgruppen, Arme, Notleidende und Unterdrückten in beiden Kirchen. Diakonie und Caritas sind hier klingende Namen, aber auch diesen mag das Gebot Exaudi gut anstehen, damit nicht Gewinnorientierung, Zweckmaximierung und immer weiter gesteigerte Effizienz das Handeln dieser Organisationen dominiert. Der Geist der Wahrheit und der Teufel im Detail kämpfen hier einen erbitterten Kampf.

Damit wären wir beim dritten Aufklärungsauftrag. Denn der heilige Geist will uns die Augen dafür öffnen, dass es eine Alternative zu der Vorherrschaft der „Fürsten dieser Welt“ gibt. Teuflische Gedanken und Mächte kann man hier vermuten, aber ebenso auch ganz reale Machtverhältnisse in Staat und Kirche. Durch Jesu Friedensbotschaft, seine gelebte Demut und die Praxis der hingehaltenen anderen Wange haben wir ein Beispiel bekommen, wie die Welt anders funktionieren könnte. Die alten und sattsam bekannten Modelle des Herrschens und Dienens haben buchstäblich ausgedient. Der Geist der Wahrheit will uns befähigen, hier andere, gerechtere und menschenfreundlichere Weg zu gehen.

Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in aller Wahrheit leiten. Diese Zusage steht, und vielleicht ist es auch genau das, was Jesus uns eigentlich gesagt hat – trotz des komplizierten Wortgebäude des Johannes. Er will durch den Geist „..in aller Wahrheit leiten“. Das umfasst unser ganzes Leben ohne Tabus oder ausgeklammerte Problemfelder.

Für mich ein Trost, und eine sehr konkrete Seite des Heiligen Geistes, oder wie es Luther hier treffender übersetzt, des „Trösters“.

Lassen sie sich auch davon anstecken, darauf vertrauen uns so die Gemeinschaft aller Menschen guten Willens vergrößern. Gegen den Heiligen Geist anscheinend immunisierte Menschen gibt es schon genug. Öffnen wir ihm unser Ohr – exaudi –, unser Herz und unsere Hände zum Handeln aus und mit dem Geist.

Herz und Sinn lassen sich im Lied sicherlich leichter öffnen. Die Bitte „O komm du Geist der Wahrheit“ wird für mich dann existenziell – und nicht nur eine Stimmübung im Gottesdienst.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. 

Lied

1) O komm, du Geist der Wahrheit,
und kehre bei uns ein,
verbreite Licht und Klarheit,
verbanne Trug und Schein.
Gieß aus dein heilig Feuer,
rühr Herz und Lippen an,
dass jeglicher getreuer
den Herrn bekennen kann.

2) O du, den unser größter
Regent uns zugesagt:
komm zu uns, werter Tröster,
und mach uns unverzagt.
Gib uns in dieser schlaffen
und glaubensarmen Zeit
die scharf geschliffnen Waffen
der ersten Christenheit.

 

4) Es gilt ein frei Geständnis
in dieser unsrer Zeit,
ein offenes Bekenntnis
bei allem Widerstreit,
trotz aller Feinde Toben,
trotz allem Heidentum
zu preisen und zu loben
das Evangelium.

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