Predigt über 1 Kor 2,12-16
zu Pfingsten 2023 in der Christuskirche

Gnade sei mit euch und Frieden
von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Geschwister in Christus,
liebe Kirchen-Geburtstags-Gäste,

haben wir wirklich was zu feiern?
Wo sind sie, die begeisterten Christ*innen der ersten Stunde?
Damals, 7 Wochen nach Ostern, da war der Geist von Jesus Christus auf einmal da, da wurden die verlassenen Jünger plötzlich zu Aposteln.
Petrus stellt sich da hin – es ist das nächste große Fest in Jerusalem 7 Wochen nach Passah – und redete ohne jede Scheu zu einer ganzen Menschenmenge – und die (aus Kappaozien und Pamphylien und .. ) mit ihren ganz verschiedenen Sprachen und Kulturen: die verstehen ihn – was für ein Sprach-Wunder!
– dabei hatte Petrus doch gerade noch aus Angst seinen Herrn geleugnet, damals kurz vor den Hahnenschreien.
Aber auf einmal: Keine Angst mehr!
Sondern überströmender Mut: Ein neuer Geist, ein Geist der Furchtlosigkeit, ein Geist der Kraft, des Frohsinns und der Liebe zu allem Leben.
Das ist der Aufbruch des Christusvolks in die Freiheit – vergleichbar mit der Befreiung Israels aus Ägypten, nur, dass hier jetzt nicht ein Volk gegen das andere steht, sondern dass jetzt alle eingeladen waren, mitzukommen, sich von diesem neuen Geist anstecken zu lassen.
Seitdem besteht die Gemeinschaft der Christ*innen,
der Getauften und zu-Taufenden,
die Gemeinschaft der Menschen, die die Frohe Botschaft leben und verkündigen wollen.
Seitdem ist das Christusvolk auf der Wanderschaft durch die Zeit – ganz ähnlich wie Israel auf dem Weg ins Gelobte Land, ein Weg mit Hindernissen, mit Irrtümern, auch mit Verrat, aber auch immer wieder mit wunderbarer Errettung und Bewahrung.

Aber heute?
Wo ist da Begeisterung in der Kirche?
Fühlt sie sich nicht manchmal alt und lahm an? Redet lieber über ihre eigenen WehWechen, statt dass sie sich in die Welt hinein begibt und mutig und lebensfroh erzählt und tut …

Rotterdam

Liebe Gemeinde,
in den vergangenen Tagen war viele Pfarrer*innen unseres Dekanates gemeinsam zum Konvent in Rotterdam in den Niederlanden.
Wir besuchten dort Kirchengemeinden, lebendige, wachsende Christus-Gemeinschaften.
Uns wurde erzählt, wie in Rotterdam, genauso wie in großen Teilen der Niederlande, wie dort die Kirche immer älter und kleiner geworden war in den letzten Jahrzehnten, wie alte, schöne, protestantische (aber in der katholischen Kirche ist es nicht besser gewesen),
wie diese schönen Traditionen immer nebensächlicher wurden, wie immer weniger sich dazu zählten …
Und dann entstanden neue Gemeinden,
sogenannte Church-Planters – Kirchen-Pflanzer –
waren im Auftrag der Protestantischen Kirche unterwegs,
sie hatten etwas Startkapital,
sie waren theologisch und v.a. auch in der Sozialarbeit gut ausgebildet,
sie wagten es einfach, Leute zusammen zu rufen, zu sagen: „Wir sind Kirche“,
und so entstanden solche Gemeinden – ein paar von ihnen haben wir besuchen können:
Eine Gemeinde sah es als wichtigstes Ziel, in einer total internationalen Umgebung Gottes Liebe für alle sichtbar zu machen – deswegen achten sie in ihren Leitungsgremien darauf, dass möglichst viele Nationalitäten vertreten sind, dass die Einladung glaubwürdig auch für die bisherigen Ausländer*innen gilt.
Da gab es eine Gemeinde, die sich im ärmsten Stadtviertel von Rotterdam ansiedelte, sie sieht ihre Aufgabe darin, den Menschen dort (das sind vor allem Migranten aus allen Teilen der Welt, viele Muslime, aber die Ursprungsreligion ist überhaupt nicht wichtig),
die neue Gemeinde will den Menschen vor Ort zeigen, wie wir gemeinschaftlich alles Mögliche anpacken können, wie Jesus mit dabei ist.
Eine der neuen Gemeinden betont: Wer zu uns kommt, der soll die Liebe Gottes erfahren, fast niemand soll sich ausgeschlossen fühlen, weder durch sexuelle Orientierung, noch durch Nicht-Wissen, noch durch eine fremde Sprache. Dann kann ich Gottesdienst nicht nur im traditionellen Stil feiern – ist ja klar.
Aber natürlich gibt’s auch die Schwierigkeit: Wie gehe ich mit nicht-toleranten Menschen um – einfach ist das nicht, aber lohnend!
Und die Finanzierung? Mitgliederbeiträge.
Die Kollekte in der Kirche dagegen ist immer für andere, soziale, diakonische Projeekte bestimmt.

Wir Schweinfurter*innen erlebten dort (natürlich) gelungene Gemeindegründungen,
und wir erlebten, dass diese Gemeinden ganz verschieden sind,
Und doch verstehen sie sich alle als Teil der Protestantischen Kirche der Niederlande. Unsere Rotterdamer Kolleg*innen erkärten uns, wie wichtig es ist, dass sie sich in der Stadt regelmäßig zum gemeinsamen Gebet treffen.

Ist das ein Weg, um mit Vielfältigkeit und Unterschieden umzugehen?

Ich finde, jetzt ist es Zeit, mal unseren Predigttext zu hören. Er wurde von Paulus in seinem 1. Brief an die Korinther geschrieben (Kap.2):

Predigttext 1. Kor. 2,12-16

2,12 Wir aber haben nicht empfangen den Geist
der Welt, sondern den Geist aus Gott, daß wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist.
2,13 Und davon reden wir auch nicht mit Worten,
wie sie menschliche Weisheit lehren kann, sondern
mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten geistliche
Dinge für geistliche Menschen.
2,14 Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts
vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit,
und er kann es nicht erkennen; denn es muß geistlich
beurteilt werden.
2,15 Der geistliche Mensch aber beurteilt alles
und wird doch selber von niemandem beurteilt.
2,16 Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt,
oder wer will ihn unterweisen« (Jesaja 40,13)?
Wir aber haben Christi Sinn.

Wir haben Christi Sinn

Liebe Gemeinde!
Wir haben Christi Sinn, wir haben den Geist aus Gott, sagt Paulus. – Ganz schön selbstbewusst ist das!
Würden WIR uns trauen, das zu sagen?
Dass wir den Heiligen Geist haben – hm, und Menschen anderer Meinung also dann wohl eher nicht.

… 1993 Jahre besteht die Kirche nun. Seitdem ist das Christusvolk auf der Wanderschaft durch die Zeit – ganz ähnlich wie Israel auf dem Weg ins Gelobte Land, ein Weg mit Hindernissen, mit Irrtümern, auch mit Verrat, aber auch immer wieder mit wunderbarer Errettung und Bewahrung.
Im Christusvolk gehen nicht alle denselben Weg. Es gibt ja Evangelische und Katholische, es gibt Griechisch-, Ukrainisch- und Russisch-Orthodoxe, es gibt Freikirchen und christliche Jugendorganisationen.
Ganz sicher gibt es unter Christ*innen (wie in der ganzen Welt) große Unterschiede im Glauben und in der Lebensführung.
• Muss man jeden Sonntag in die Kirche gehen?
• Dürfen Frauen Pfarrerinnen und Priesterinnen werden, zB.?
• Wie soll man mit Homosexuellen umgehen?
• Ist die Bewahrung der Schöpfung einfach Aufgabe des Schöpfers – oder könnte es sein, dass Gott uns längst in die Pflicht genommen hat, uns zutraut, dass Christ*innen aus Liebe zu den Später Geborenen aktiv werden?
• Ist Dienst an der Waffe mit dem Glauben an Jesus Christus verträglich?
• Und wie ist es bei Sterbehilfe und Suizidwünschen?
• Oder – ganz modern:
Ist eine von Menschen gemachte Künstliche Intelligenz selbst ein Gott-geliebtes Lebewesen – oder NUR eine seelenlose Maschin — etwa wie Kühe, die nur existieren zum Zwecke von Milch- und Käseerzeugung?
• Und vieles mehr!

Wie leicht passiert es da, dass einzelne behaupten: „Wir haben den Heiligen Geist – und ihr (?): Ihr lasst euch vom Zeitgeist, vom Konservatismus, von sonst was einwickeln!“

Konflikte und Streit – die hat es die ganze Kirchengeschichte seit 1993 Jahren gegeben.
Manchmal sind die Meinungsgegner mit Gewalt aufeinander los gegangen. Oder die staatlichen oder kirchlichen Machthaber haben sich durchgesetzt – da haben sich dann Zwang und Betrug und Duckmäusertum auch in der Kirche verbreitet.

Manchmal haben die Christ*innen dazu gelernt, haben den Meinungsstreit im Geist der Zusammengehörigkeit geführt, haben „geistlich geurteilt“, wie Paulus das so schön formuliert hat.

Bestimmt ist das gemeinsame Gebet, wie wir’s z.B. in Rotterdam gelernt haben, eine hilfreiche Sache, dazu die Sorge für andere – wenn das nicht Christi Sinn ist?!

so dass wir „geistliche urteilen“.

Ja, hier sind wir,
wir feiern Kirche.
Gerne selbstkritisch.
Es hilft bestimmt, andere Kirchenformen zu besuchen, bei ihnen was abzuschauen.
Das kann manchmal mühselig sein, sich in fremden Sprachen und Kulturen was erklären zu lassen,
und, so unangenehm es ist, man muss schon auch mal deutlich werden.

Ein friedlicher Wettstreit um die Wahrheit,
um eine gemeinsame Sprache,
im Vertrauen auf den EINEN Herrn der Kirche und der Welt. Auf Jesus Christus.
Dass sein Geist wirkt: Das ist DAS Sprachenwunder
– und genauso weht er, der Heilige Geist!
Da will ich doch gerne dabei sein. AMEN.

Und die Liebe Gottes, höher als alles, was wir hier verstehen könnten,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. AMEN.

Pfingsten 2023, Christuskirche, Wolfgang Weich

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